Es gibt diese Anrufe. Die, bei denen man schon während der ersten Sätze merkt: Das hier ist kein Standard-Job. Das ist ein Minenfeld.

„Herr Bickenbach, wir bräuchten Sie für eine Mediation“, sagte die Stimme am anderen Ende. Es war kurz vor Weihnachten, die Zeit der Besinnlichkeit. Welch Ironie. „Es geht um eine Führungskraft und einen Großteil ihres Teams. Das Ding hat schon eine längere Geschichte, eine Menge Beteiligte im Haus. Scheint also nicht so ganz einfach zu sein.“

Nicht so ganz einfach. Das war die Untertreibung des Jahres. Was als klassischer Mediationsauftrag begann, wurde für mich zu einer der lehrreichsten Bruchlandungen meiner Karriere. Und zu einer fundamentalen Erkenntnis darüber, wann unser wohlmeinendes Handwerkszeug – das Zuhören, das Vermitteln, das Brückenbauen – nicht nur versagt, sondern die Situation sogar verschlimmert.

Eigentlich hätte ich „Nein“ sagen sollen. Aber hinterher sind wir immer schlauer. 

Kennen Sie das? Dieses Gefühl in einem Team oder einer Abteilung, dass etwas ganz und gar nicht stimmt? Wo die Luft knistert, die Meetings angespannt sind und die Flurfunk-Frequenzen glühen? Wo ein Konflikt schwelt, der sich einfach nicht lösen lässt, egal, wie viele Workshops man ansetzt?

Wenn ja, dann lesen Sie weiter. Denn manchmal ist das Problem nicht ein Missverständnis. Manchmal ist es ein Elefant im Raum. Ein toxischer Elefant. Und den kann man nicht wegschmusen.

Anatomie einer Bruchlandung

Mein Auftrag klang nach Lehrbuch: eine Verständigung zwischen den Parteien herstellen. Das Vorgehen? Ebenfalls klassisch:

  1. Einzelgespräche mit allen Beteiligten, um die verschiedenen Standpunkte, die Emotionen und die bisherige Geschichte zu verstehen.
  2. Analyse und Auswertung der gesammelten Informationen.
  3. Präsentation der Ergebnisse in einer gemeinsamen Sitzung, um eine Basis für die eigentliche Verhandlung zu schaffen.

Die Einzelgespräche liefen. Die Mitarbeitenden schütteten mir ihr Herz aus. Sie sprachen von Herabwürdigung, von Ausgrenzung, von einer systematischen Demotivation. Die Führungskraft auf der anderen Seite malte ein ganz anderes Bild.

Ich sammelte alles, analysierte, strukturierte und bereitete die Präsentation vor. Mein Ziel als Mediator: eine Gesprächsbasis schaffen. Also formulierte ich vorsichtig. Ich wollte niemanden vor den Kopf stoßen, die Wogen glätten, eine Brücke bauen. Ich packte die erschreckend klaren Ergebnisse der Gespräche in Watte.

Toxische Führung ist dauerhaft destruktives Verhalten (z. B. Demütigung, Spaltung, Informationskontrolle), das psychologische Sicherheit zerstört und Leistung sowie Gesundheit senkt. Warnzeichen: Angst, Schweigen, In-/Out-Groups. Wirksam sind klare Grenzen, Transparenz, Dokumentation – und bei Eskalation externe Intervention.

 

Quellen: Harvard Business Review

Woran erkennt man toxische Führung?

  • Favoritismus/In-Group
  • (Passiv) agressive Reaktion bei Widerspruch

  • Schuldzuweisungen statt Lernen

  • Mikromanagement

  • Informationskontrolle/„Schatten-Meetings“

  • Hohe Fluktuation 

Was tun als HR oder als Geschäftsführung bei toxischer Führung?

  • Betroffene Mitarbeitende ernst nehmen
  • Vorfälle dokumentieren

  • Faktenrunde/Sicht der Betroffenen einholen

  • Verhaltensgrenzen & Konsequenzen setzen

  • Externe Hilfe bei Machtmissbrauch hinzuziehen

Anzeichen toxischer Führung: Herabwürdigung und Spaltung

Und dann? Dann flog mir der ganze Laden um die Ohren.

Schon nach wenigen Minuten revoltierte das Team. Aus und vorbei. Die Mediation war gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Der Grund? Meine beschönigende Darstellung. Meine in Watte gepackten Worte wurden von den Mitarbeitenden nicht als Diplomatie, sondern als Verrat empfunden. Sie fühlten sich nicht nur nicht verstanden, sondern zum zweiten Mal herabgewürdigt – diesmal von dem, der eigentlich für Klärung sorgen sollte.

Touché. Das saß. Und sie hatten recht.

Die eigentliche Diagnose: Wenn „schwierig“ zu „toxisch“ wird

Mein Fehler war sowohl handwerklicher als auch diagnostischer Natur. Ich hatte versucht, ein Kommunikationsproblem zu lösen, wo in Wahrheit ein Verhaltensproblem vorlag. Ein systematisches, destruktives Verhaltensproblem. Was ich da vor mir hatte, war keine „schwierige Führungskraft“. Es war eine toxische.

Was war passiert? Die Analyse der ungeschönten Fakten zeichnete ein klares Bild, das man aus der Fachliteratur über toxische Verhaltensmuster kennt:

  • Systematische Spaltung: Die Führungskraft hatte das Team in zwei Lager geteilt. Ein kleiner, ihr ergebener inner circle wurde hofiert und bevorzugt. Der Rest wurde systematisch kleingemacht, ihre Ergebnisse kritisiert, wichtige Informationen wurden ihnen vorenthalten.
  • Kompetenz-Diebstahl: Die Kompetenz eines bestimmten Mitarbeiters wurde gezielt genutzt, um dessen Ideen und Erfolge vor höheren Ebenen als die eigenen auszugeben.
  • Untergrabung von Autorität: Es stellte sich heraus, dass der vorherige Chef, der gerade erst auf eine andere Stelle gewechselt war, von dieser Führungskraft systematisch „abgesägt“ worden war.
  • Fassadenbau: Mit großem Geschick wurde nach außen das Bild einer hochkompetenten, engagierten und erfolgreichen Führungskraft aufgebaut, das bei geringstem Kratzen am Lack wie eine Schimäre zerfiel.

Toxizität ist keine Meinung. Es ist ein Verhaltensmuster mit verheerenden Folgen. Sie zerstört das, was Google in seiner berühmten „Aristotle“-Studie als den wichtigsten Faktor für High-Performance-Teams identifiziert hat: psychologische Sicherheit. Das Gefühl, sicher genug zu sein, um Zwischenmenschliches zu wagen, Fragen zu stellen, Fehler zuzugeben, ohne dafür bestraft oder gedemütigt zu werden.

Eine toxische Person – egal ob Führungskraft oder Teammitglied – verursacht das genaue Gegenteil. Sie schafft ein Klima der Angst, des Misstrauens und der permanenten Unsicherheit.

Mein größter Fehler: Die Illusion der Neutralität

Aus heutiger Sicht hätte ich das Problem beim Namen nennen müssen. Gegenüber der Führungskraft, dem Team und bei der Rückmeldung mit dem Management. Denn mein Auftrag hatte – wie sich später herausstellte – eine „Hidden Agenda“. Es ging nicht wirklich darum, den Konflikt zu lösen. Es ging darum, ihn möglichst still und leise verschwinden zu lassen.

Ein Unternehmen muss eine Entscheidung treffen: Toleriert es ein solches Verhalten oder nicht? Duldet man, dass ein Teil der Belegschaft systematisch zermürbt und persönlich verletzt wird, weil die toxische Person vielleicht kurzfristig beeindruckende Zahlen liefert oder nach oben hin gut dasteht?

Meine wichtigste Erkenntnis aus diesem Desaster ist: In einem toxischen System ist Neutralität nicht nur eine Illusion. Sie ist ein Fehler. Wer versucht, zwischen einer missbrauchenden und einer missbrauchten Partei neutral zu vermitteln, ergreift implizit Partei für den Status quo – und damit für die missbrauchende Seite. Manchmal besteht die Aufgabe eines externen Begleiters nicht darin, zu vermitteln, sondern darin, dem System einen ungeschönten Spiegel vorzuhalten und es zur Entscheidung zu zwingen. Das erfordert Mut. Und Ehrlichkeit.

Übrigens wurde das Problem am Ende sehr schnell gelöst. Und zwar in dem Moment, als der neue Chef der toxischen Führungskraft mich fragte, ob er denn auch Gefahr liefe, dass an seinem Stuhl gesägt würde.

Ihr Realitätscheck: Haben Sie es mit einer toxischen Dynamik zu tun?

Toxische Führung erkennen bevor sie sich festgefahren haben.

Vielleicht erkennen Sie Elemente dieser Geschichte in Ihrem eigenen Arbeitsumfeld wieder. Wenn Sie das Gefühl haben, in einer verfahrenen Situation festzustecken, stellen Sie sich ehrlich folgende Fragen:

  • Energiebilanz: Fühlen Sie sich nach Interaktionen mit der betreffenden Person und ihrem Umfeld energiegeladen und inspiriert oder ausgelaugt und erschöpft?
  • Informationsfluss: Werden Informationen offen und transparent geteilt oder als Machtinstrument eingesetzt, um einige zu inkludieren und andere zu exkludieren?
  • Fehlerkultur: Werden Fehler ehrlich aufgearbeitet oder dazu genutzt, Einzelne bloßzustellen und Sündenböcke zu finden?
  • Zugehörigkeit: Gibt es ein Gefühl von „Wir gemeinsam“ oder eine klare Trennung zwischen einer In-Group und einer Out-Group?
  • Fokus: Drehen sich die Gespräche hauptsächlich um die Sache und gemeinsame Ziele oder um Gerüchte, Schuldzuweisungen und politische Manöver?

Wenn Sie bei mehreren dieser Fragen ein ungutes Gefühl haben, ignorieren Sie es nicht. Sie haben es wahrscheinlich mit einer sehr ungesunden Dynamik zu tun.

Solche verfahrenen Situationen sind wie ein Schwelbrand. Man kann eine Weile so tun, als wäre da nur ein bisschen Rauch. Aber irgendwann steht das ganze Haus in Flammen. Von innen heraus ist dieser Brand kaum noch zu löschen. Die Gräben sind zu tief, die Emotionen zu hoch, die Fronten zu verhärtet.

Manchmal braucht es genau dort einen externen Eingriff, einen Blick von Außen. Jemanden, der – wenn möglich – Arbeitsfähigkeit wiederherstellt, mit dem nötigen Abstand die richtigen Fragen stellt und die notwendigen Konsequenzen beim Namen nennt.

 

Was tun, wenn der Elefant den Raum bereits blockiert?

Die Erkenntnis eines systemischen Problems ist der erste Schritt. Doch was, wenn die Situation bereits eskaliert ist? Wenn ein Projekt blockiert ist, die Stimmung im Team gekippt ist und Sie als Führungskraft schnelle Klarheit brauchen?

Für genau solche akuten Krisen – die oft ein Symptom der hier beschriebenen Probleme sind – habe ich die Organisations-Notfall-Intervention entwickelt. In einem fokussierten 3-Tage-Prozess stabilisiere ich die Lage, stelle eine fundierte Akut-Diagnose und entwerfe einen ehrlichen Fahrplan für die nächsten Schritte.

Wenn Sie einen solchen „Elefanten“ in Ihrer Organisation haben und sofortige Klarheit benötigen, finden Sie hier den Weg zum schnellen und vertraulichen Erstgespräch:

Dieter Bickenbach, der Notarzt für Organisationen

Dieter Bickenbach, der Notarzt für Organisationen

Co-Autor: Gemini 2.5 pro

Dieter Bickenbach ist Organisations-Notarzt. Er hilft Führungskräften, in festgefahrenen Situationen schnell wieder handlungsfähig zu werden. Seine Methode: Akut-Intervention, systemische Erstuntersuchung und radikale Ehrlichkeit. Anstatt fertige Lösungen zu verkaufen, befähigt er Organisationen, ihre eigenen Probleme nachhaltig zu lösen. Mit über 20 Jahren Erfahrung in Organisationskrisen und einem Faible für systemische Zusammenhänge bringt er Ruhe in den Sturm – und manchmal auch einen trockenen Kommentar, wenn es die Situation verträgt.

Der Resonanzgarten

Die Bibliothek des Organisations-Notarztes & System-Architekten